Seite an Seite mit Alfredo, Seite an Seite mit den Kämpfenden. Demo in Solidarität mit Alfredo Cospito, in Hungerstreik bis zum bitteren Ende (Turin, Italien, 4. März 2023)

Seite an Seite mit Alfredo, Seite an Seite mit den Kämpfenden. Demo in Solidarität mit Alfredo Cospito, in Hungerstreik bis zum bitteren Ende (Turin, Italien, 4. März 2023)

Am Samstag, den 4. März, haben wir uns entschieden, erneut auf die Straße zu gehen, Seite an Seite mit Alfredo, Seite an Seite mit denjenigen die kämpfen. Wir unterstreichen somit, dass wir weder das 41 bis, noch Gefängnisse, noch CPR wollen.

Der einzige Krieg an dem wir teilnehmen ist der der Ausgebeuteten auf der Barrikade, die uns von den Ausbeutern trennt. Wir schreien unsere Wut heraus, über die Verhängung des Todesurteils gegenüber eines unserer Gefährten. Das Schritttempo der Repression gegen die Kämpfe wird somit nochmals beschleunigt. Das muss zwangsläufig auch unsere Art der Konfrontation mit ihr verschärfen.

Der Kampf ist nicht vorbei!

Samstag 4. März 16:30, Piazza Solferino, Turin: Demo


Das Urteil des Kassationsgerichtshofs vom vergangenen Freitag klingt wie ein Todesurteil: Alfredo Cospito bleibt im 41bis und wird dort sterben. Somit erlöscht auch der letzte kleine Schimmer einer juristischen Möglichkeit ihn aus der Isolation zu holen. Gleichzeitig erschließt sich endgültig der Weg, der zu den extremen Konsequenzen des Hungerstreiks führen wird, sowohl für ihn als auch für “uns”.

Die harte Linie die der Staat fährt und seine Unnachgiebigkeit haben sich auf allen Ebenen durchgesetzt. Die Exekutive und die Judikative, die sich nicht immer überschneiden, haben ihre Reihen geschlossen und eine gemeinsame Front gebildet. Diese Angleichung der Interessen, unabhängig davon, ob sie fremdgesteuert sind oder nicht, wirkt wie eine innere Kriegserklärung. Die Botschaft ist klar und unverblümt: In naher Zukunft wird es keine Toleranz mehr geben. Angesichts eines Krieges vor den Toren Europas, der seine Ordnung bereits umgestaltet und der von Tag zu Tag globaler wird, müssen wir an die dunklen Tage vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs denken, als die allgemeine Mobilmachung und das Kriegsrecht ausgerufen wurden. Die Erinnerungen an die „zwei roten Jahre“ (Zeitraum zwischen 1919-1920, wo es den Versuch gab einen politischen und gesellschaftlichen Umsturzes zu vollbringen, mit dem Ziel des Kommunismus) stehen in einem völlig anderen Kontext und sind weit voneinander entfernt, doch lassen sich gewisse Ähnlichkeiten und Parallelen feststellen.

Die Logik, die uns dazu bewegen muss, gegen den Krieg und die NATO vorzugehen, ist dieselbe, die uns für Alfredo und seinen Kampf – und nicht nur für ihn – auf die Straße bringen muss. Das zeigen die Kämpfe, die scheinbar unterschiedlich sind, es aber in Wirklichkeit nicht sind, wie z.b. die Aktionen und Interventionen, die die Großdemo der Hafenarbeiter am vergangenen Samstag in Genua begleitet haben.

Es wäre Unsinn sich an dieser Stelle über die Heuchelei eines Staates auszulassen, der, um das 41bis zu rechtfertigen, Alfredo als Massenmörder brandmarkt, während er selbst ständig Massenmorde begeht (derweil rufen die Opfer des Schiffbruchs von Crotone nach Gerechtigkeit, Gerechtigkeit mit einem großen „G“). Interessanter ist es unserer Meinung nach, noch einmal die repressive Gesamtstrategie zu unterstreichen: die systematische Schließung aller möglichen Räume des Protests. Die Instanzen des sozialen Wandels sollen beseitigt werden, indem auch die wenigen Fäden gekappt werden, die die aktuellen Erfahrungen mit einem historischen Bewusstsein verbinden. Das 41bis für Alfredo, die Wiederaufnahme des Falles Cascina Spiotta (Vor kurzem wurden gegen Renato Curcio -einer der Mitbegründer der Roten Brigaden- die Ermittlungen aufgenommen, um den Tod von einem Bullen während einer Schießerei 1975 zu klären, wobei seine Partnerin Mara Cagol von den Bullen exekutiert wurde), die Räumung eines Sozialzentrums, sind scheinbar weit entfernte Fakten, die jedoch in perfekter Kontinuität stehen. Um jeden Zweifel auszuräumen, wollen wir hier nicht behaupten, dass es eine Art “Büro” gibt, in dem die Abfolge der Gesetzesentwürfe und der polizeilichen und gerichtlichen Operationen des letzten Jahrzehnts detailliert geplant wurde, sondern wir wollen die implizite Strategie des Staatsapparats durchleuchten.

Wie wir bereits geschrieben haben, könnte die Geschichte von Alfredo dazu beitragen, diese repressive Spirale zu durchbrechen und zu entschärfen. Es wird entscheidend sein, die Gelegenheit zu ergreifen, Alfredo´s Kampf aus einer rein antirepressiven Logik herauszuholen und so neue Angriffspunkte zu erproben.

Eines können wir jetzt schon sagen: Es wird ein Davor und ein Danach von Alfredo´s Tod geben. Unserer Meinung nach ist die Möglichkeit durchaus gegeben, dass Alfredos Kampf bis zum letzten Atemzug von allen und jedem als Kampf um die Aneignung von Handlungsspielraum angesehen wird.

Es gibt die Möglichkeit die politische Legitimität in einem Land aufzugreifen, das ständig alle Formen von Konflikten und Dissens unterdrückt und seien sie auch nur symbolischer Natur. Die Hoffnung ist, dass dieses Keuchen der Bewegungen, um weiter leben und handeln zu können, sich mit den sozialen Forderungen einer Bevölkerung verbinden kann, die zunehmend von Krisen, Ängsten und Krieg betroffen ist.

[Auf Deutsch veröffentlicht unter https://lanemesi.noblogs.org/post/2023/03/01/seite-an-seite-mit-alfredo-seite-an-seite-mit-den-kampfenden-demo-in-solidaritat-mit-alfredo-cospito-in-hungerstreik-bis-zum-bitteren-ende-turin-italien-4-marz-2023/ | Auf italienisch veröffentlicht unter https://lanemesi.noblogs.org/post/2023/03/01/al-fianco-di-alfredo-al-fianco-di-chi-lotta-corteo-in-solidarieta-con-alfredo-cospito-in-sciopero-della-fame-ad-oltranza-torino-4-marzo-2023/]

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(IT) Al fianco di Alfredo, al fianco di chi lotta. Corteo in solidarietà con Alfredo Cospito in sciopero della fame ad oltranza (Torino, 4 marzo 2023)
(EN) Alongside Alfredo, alongside those who fight. Demo in solidarity with Alfredo Cospito, on hunger strike to the bitter end (Turin, Italy, March 4, 2023)
(DE) Seite an Seite mit Alfredo, Seite an Seite mit den Kämpfenden. Demo in Solidarität mit Alfredo Cospito, in Hungerstreik bis zum bitteren Ende (Turin, Italien, 4. März 2023)